Konzentrationsprobleme und Unruhe bei Kindern

Wenn ein Kind sehr unruhig ist und sich nicht konzentrieren kann, wissen Eltern und Lehrpersonen nach vielen Bemühungen oft nicht mehr weiter. Aus Verzweiflung glaubt man manchmal, es müsse eine Krankheit vorliegen. Das stimmt nicht. Ein solches Kind ist in einem psychischen Fieberzustand. Wenn es gelingt, Zugang zur Seele des Kindes zu finden, lernt man verstehen, woraus die Not eines solchen Kindes besteht.
Jedes Kind möchte dazugehören und wie alle anderen mitmachen können. Wenn es aber nicht weiss wie, dann zeigt sich dieser Schwächezustand unter anderem in der Form von Unruhe und Konzentrationsstörungen. Wir müssen dann annehmen, dass es durch seine bisherigen Erfahrungen mit den Menschen, seine ganz eigene Interpretation der Erlebnisse, noch nicht die notwendige gefühlsmässige Sicherheit im Leben erwerben konnte. Es kann deshalb auch nicht genug Mut aufbringen oder hat sogar bereits aufgegeben, richtig mitmachen zu können.
Es ist mannigfach, was ein Kind im Innersten beschäftigen kann:
– Ein Kind ist zum Beispiel eifersüchtig und schaut deswegen die ganze Zeit darauf, ob es schneller oder langsamer ist als die anderen.
– Ein anderes Kind fühlt sich ganz dumm und kann deshalb erst gar nicht ein Buch aufschlagen, denn es glaubt bei allem, was es nicht versteht, das sei der Beweis für seine Dummheit.
– Ein drittes Kind ist so unsicher, ob die anderen mit ihm zufrieden sind, dass es die anderen immer auf sich aufmerksam machen muss, auch wenn es längst weiss, dass das stört und es schon hundert Mal versprochen hat, sich ruhig zu benehmen.
– Ein viertes Kind hat die Welt so kennengelernt, dass es sich abgelehnt fühlt, wenn ein momentaner Wunsch nicht erkannt oder nicht erfüllt wird; zu zweit geht es dann sehr gut, ist es aber unter anderen Kindern, fühlt es sich alleine und verloren, wehrt sich ständig oder zieht sich zurück.
– Ein fünftes Kind hat ständig Angst vor Kritik, vielleicht sogar vor Schlägen, wagt kaum zu denken, kommt nicht mit und ist deshalb ganz unruhig.
– Ein sechstes Kind fühlt sich ständig wie unter Gegnern und denkt nur daran, sich nicht unterkriegen zu lassen, wehrt sich gegen jeden vermeintlichen Angriff und wird bei Kritik frech.
– Ein siebtes Kind meint nur dann wichtig zu sein, wenn es meistens bestimmen kann und fängt deshalb mit jedem Streit an, wenn ein anderes Kind auch Vorschläge bringt.
– Ein achtes fühlt sich bereits bevormundet, wenn es eine Erklärung erhält – so wie bei seinem älteren Geschwister – und verschliesst dann die Ohren.
Diese Gefühle der Kinder sind durch die Eindrücke in der Erziehung und in der familiären Situation entstanden, und prägen – so auch bei uns Erwachsenen – die Art und Weise, wie wir das Leben wahrnehmen und angehen.
Nimmt man sich die Zeit und hat man Freude daran, die Ursachen dieser Probleme mit dem nötigen psychologische Wissen zu ergründen, dann ist jedes Kind verstehbar. Wir als Erwachsene müssen versuchen herauszufinden, was ein unruhiges und unkonzentriertes Kind beschäftigen könnte. Erst dann können wir dem Kind helfen, da es unter seiner Schwäche leidet und seine eigenen unbewussten Beweggründe nicht kennt.
lic. phil. Diethelm Raff
Psychologe
Foto von Bruce Mars (pexel.com)