Die 82 minütige realistische Tragik-Komödie «Keine Lüge ohne Dich» heisst im französischen Original «Mauvais Foi». Das bedeutet «Unaufrichtigkeit», aber auch «Schlechter Glaube», «Böswilligkeit», «Unredlichkeit». Der französische Philosoph des Existenzialismus, Jean Paul Sartre, versteht unter diesem Begriff, dass ein Mensch seine Freiheit aufgibt, sich selbst zu werden. Und darüber hinaus unter dem Druck der anderen falsche Wertvorstellungen übernimmt. Er meint, der Mensch bekomme Schwindelgefühle, wenn er sich selbst sein wolle und gleichzeitig dazugehören will, weil er glaube, konform sein zu müssen vertrage sich nicht mit sich selbst zu sein. Er werde deshalb misstrauisch gegenüber der Welt, müsse sich selbst täuschen und sich belügen und verliere damit seine Verantwortlichkeit für sein eigenes Handeln.
Sartre als Soziologe und Phänomenologe kann nicht erkennen, wie sich der Mensch durch psychologische Erkenntnissen sich selbst in seinem Werdegang erkennen kann, und deshalb umso mehr sich selbst sein kann, je mehr er sich mit anderen innerlich verbinden lernt, indem er sein Misstrauen überwindet – und dadurch nicht konform leben muss.
Im Film sind die jüdische Clara und der Araber Ismaël seit vier Jahren glücklich miteinander liiert, ohne dass ihre verschiedenen Religionen eine Rolle spielen. Sie wollen ihre Beziehung festigen und zusammenziehen, da sie schwanger werden. Die neuen Herausforderungen im Leben zeigen ihre unverstandenen unterschiedlichen Vorstellungen über das Leben sehr deutlich – auch im Spiegel der Eltern, die sie bis jetzt nicht kennengelernt hatten.
Zudem werden viele kulturellen Unterschiede pointiert deutlich, von denen man glauben könnte, dass sie ein enges Zusammenleben in einer Partnerschaft nicht möglich machen, es sei denn, dass sich beide selbst verleugnen beziehungsweise sich oder den anderen belügen und einander etwas vorspielen. Viel näher scheint die «Erkenntnis» zu liegen, dass eine Liebe zwischen den Kulturen nicht möglich ist.
Diese Erkenntnis ist offensichtlich eine Folge der eigenen Vorurteile, des Misstrauens und der unbewussten Überzeugung, dass man nur zusammenleben kann, wenn man sich so wenig wie möglich aufeinander abstimmen muss, sich weder emotional noch in seinen Absichten koordinieren muss.
Bei genauer psychologischer Betrachtung zeigt sich, dass diese zugespitzt dargestellte Situation in jeder Partnerschaft auftritt, weil alle aus verschiedenen familiären Kulturen kommen.
Das Leben in jeder Partnerschaft zeigt alle irrtümlichen oder irritierte Haltungen auf, die für ein Zusammenleben wenig oder nichts taugen. Es hängt davon ab, wie viel Lebensmut und Realitätssinn die beiden Partner haben, wie viel Gefühlsnähe und Interesse, wie viel Freude daran, gegenseitig dem anderen das Leben zu verschönern die beiden für eine Partnerschaft mitbringen oder sie in der Partnerschaft entwickeln können. Dann kann es gelingen, die Schwierigkeiten dafür zu nutzen, sich besser kennen und lieben zu lernen wie die beiden Liebenden im Film .
Der Film zeigt auf, dass sich wie überall auf der Welt, Menschen füreinander eine Bereicherung sein können, wenn sie Unterschiede und Schwierigkeiten miteinander nicht zudecken müssen, aus der Überzeugung heraus, dass man sich nur verstehen kann, wenn man in allem übereinstimmt. Es muss aber auch keine Kriege geben, wenn man das Leben unterschiedlich erlebt hat und das Leben manchmal sehr unterschiedliche und selbstverständlich angeht . Es geht darum, den anderen kennenlernen zu wollen, weder patriarchalisch eine andere Kultur in den Himmel zu heben, anstatt die untauglichen Anteile für ein friedliches Zusammenleben genauso in jeder Kultur zu untersuchen wie die gemeinschaftstauglichen.
Der Regisseur kennt die Konflikte zwischen jüdischen und muslimischem Denken und Fühlen aus der eigenen Ehe mit einer Jüdin.