Ankündigung: 26. August 2023
«Der Chor – Stimmen des Herzens (The Boychoir)» (2014, 103 Min.) Regie: Francois Girard. Drehbuch: Ben Ripley
Im berührenden 103-minütigen Filmdrama «Der Chor – Stimmen des Herzens (Boychoir)» aus dem Jahr 2014 steht der 12-jährige Stet im Mittelpunkt, der von seiner alleinerziehenden alkoholkranken Mutter seit seiner Geburt vernachlässigt wird. Er entwickelte eine unbewusste Meinung vom Leben, dass er sein Leben alleine bewältigen muss, auf sich gestellt und sich deshalb nur mit sich beschäftigen und auf keine langfristige Unterstützung hoffen kann. Aus dieser zutiefst traurigen Selbstbezogenheit entwickelt er auch Fähigkeiten, unter widrigen Umständen überleben zu können. Diese festgefügte unbewusste Überzeugung bringt ihn dazu, dass er auch bei den vielen Menschen misstrauisch bleibt, die ihm wohlgesonnen sind und muss diese abwehren. Er kann schwer wahrnehmen und empfinden, dass andere ihm freundschaftliche Gefühle entgegenbringen. Stattdessen ist er innerlich ständig darauf vorbereitet, dass er sich gegen Angriffe anderer alleine wehren muss und geht deshalb auch öfter heftig gegen andere vor, wenn er eine Ungerechtigkeit wittert oder sie richtig erkennt.
Im Film kann man seine Gefühlswandlung mitverfolgen, wie er sein Misstrauen nach und nach verliert, sich mit anderen immer besser zusammentun kann, auch mit deren Schwächen, sein Misstrauen weniger wird und dadurch auch immer besser lernen kann. Und gleichzeitig entwickeln sich auch alle anderen Beteiligten weiter und verständigen sich immer besser, auch unter schwierigen Umständen. Sie verstehen sich und ihn immer besser.
Durch den Tod von Stets Mutter bei einem Autounfall und der Unterstützung durch seine Rektorin kann er aus seinem Umfeld heraustreten und zufällig eine Internats-Musikschule besuchen, für die er wegen seiner gefühlsmässigen Einschränkungen beim Lernen schlechte Voraussetzungen hat.
Trotz seiner rebellischen, menschenabweisenden Haltung, die ihn einsam macht, hat er Glück und dort unterstützen und ermutigen ihn ein Kollege und der stellvertretende Chorleiter, was ihn nach und nach überzeugt, langsam Vertrauen ins Leben zu fassen. Es gelingt ihm, auch den Schritt zu einem freundschaftlichen Umgang zu machen, nicht alleine etwas erledigen zu müssen, sondern andere zu bitten, ihm etwas beizubringen, was er selbst noch nicht kann. So kann er nach und nach im gemeinsamen Lernen eine innere Verbindung erleben.
Auf diesem Boden kann er von seiner abweisenden Haltung wegkommen und sich aufs Lernen einstellen. Andere geben ihm einen Hinweis darauf, was er in den Weihnachtsferien üben kann, um erfolgreich zu sein. Auf dem Boden des zunehmenden Vertrauens zu anderen, möchte er immer mehr dabei mitmachen, anderen Menschen mit dem Chorgesang eine Freude zu machen. Die zunehmende Verbundenheit und den Mut zum Leben zeigt sich daran, dass er sich dabei den Weihnachtsfilm «Ist das Leben nicht schön?» von 1946 anschaut, in dem deutlich wird: Kein Mensch ist ein Versager. Jeder Mensch kann eine so grosse Bedeutung für viele andere haben, meistens ohne es zu erkennen., Das wird dann auch sein Motto, i,t seiner Stimme andere zu erfreuen.
Doch wie immer im Leben gelingt eine Gefühlsveränderung nicht so schnell wie erhofft, auch wenn er sich mit dem Leben anfreunden möchte. Der Erfolg bleibt zunächst aus. So glaubt er aufgeben zu müssen und zeigt dies in einem gefühlsmässigen Rückfall, misstrauisch sein und sich gegen andere wehren zu müssen. Der Chorleiter erkennt seine innere Verfassung, erklärt ihm seine Ungeduld mit dem Leben und ermutigt ihn, weiterzumachen. Und signalisiert ihm, dass er dabei sein kann und nicht ausgeschlossen ist vom Leben.
Der Chorleiter erkennt bei sich selbst, welche eigenen – unbewussten – Hintergründe aus der Kindheit ihn so streng haben werden lassen und ändert seine Heftigkeit in der Beziehung zu Stett.
Der anstehende Stimmbruch lässt Stet an seiner ganzen Anstrengung zweifeln, weil er damit keinen weiteren Erfolg hat. Doch der stellvertretende Chorleiter weit ihn darauf hin, dass er in dieser Zeit die innere Zuversicht entwickeln konnte, zu lernen, um Teil des menschlichen Zusammenlebens zu sein und Freude daran zu haben, das Leben auch mit den auftretenden Schwierigkeiten gemeinsam zu gestalten. Diese Gefühlswandlung hin zu den Menschen hat sich gelohnt, ohne deshalb ein berühmter Mensch zu sein.
Der leibliche Vater wird durch die zunächst erzwungene Auseinandersetzung mit seinem verleugneten Sohn so berührt, dass er seiner Frau und seinen Kindern näher kommt, indem er sich mit seinem Fehltritt nicht mehr verstecken und damit distanziert halten muss. Die Familie nimmt Stet auf, der sich mit seiner neuen Haltung zum Menschen auch innerlich abstützen kann
François Girard konzentriert sich in dem Film auf eine glaubwürdige und nuancierte Figurenzeichnung, bei der gerade die leisen Töne grosse Bedeutung bekommen. Im stimmigen Darstellerensemble vereint er dazu Hollywood-Veteranen wie Dustin Hoffman, Debra Winger und Kathy Bates (als Direktorin des Knabenchors) mit so unterschiedlichen Mimen wie Eddie Izzard als Carvelles pingeliger Nachfolger, Kevin McHale als Stets Gesangslehrer und einem wunderbar menschlichen Josh Lucasals ambivalenter Erzeuger des Jungen.
Mit dem Film wird man darauf hingewiesen, dass alle Beteiligten eine Entwicklung machen können und scheinbar unmögliche Situationen mit viel Wissen, Einfühlungsvermögen und mutiges Zupacken dem Leben einen Schub nach vorne geben können. Jedes Kind oder Jugendlicher und jeder Mensch muss nie aufgegeben werden, weil jedes Verhalten, sei es noch so skurril, einer inneren Logik folgt, die erfassbar ist und der Mensch dann einfühlbar wird, der immer gerne mitmacht, wenn er eine Möglichkeit sieht und verstanden wird.
Die Einladung zu diesem Seminar finden Sie hier.
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