Da kommt ein guter Freund und begrüsst einen nur kurz – im Gegensatz zu anderen. Und schon ist man sicher, dass er etwas gegen einen hat. Man fängt an zu spekulieren, warum er gegen einen ist. Darüberhinaus kann es schnell passieren, dass man selbst etwas zurückhaltend oder gekränkt ist. Der andere soll indirekt merken, dass er sich falsch benommen hat. Oder man stellt den anderen zur Rede und verwickelt sich in der Überzeugung, nicht verstanden zu werden. Oder man zieht sich innerlich zurück und erklärt sich selbst gegenüber, dass man auf andere nicht angewiesen sei. Man fühlt sich dann unverstanden und alleine.
Solche alltäglichen Empfindlichkeiten und Gefühle trüben oft die Beziehungen zu anderen und stören oder verunmöglichen gar das gute Zusammenleben in Arbeitsteams, Vereinen, Freundschaften und auch Partnerschaften.
Auch wenn sie jeder kennt, sind sie nicht bei jedem Menschen gleich ausgeprägt. Sie entstehen in der Erziehung. Die Erlebnisse in den ersten Lebensjahren führen oft dazu, dass man vorschnell annimmt, dass der andere Mensch einem nicht freundlich gesinnt sei und dass er es nicht gut mit einem meine. So legt man sehr schnell in seine Mitmenschen hinein, dass sie einen ablehnen. Ohne es zu merken vergisst oder übersieht man alle Verhaltensweisen des anderen, die deutlich machen, dass der andere gerne mit einem will.
Es kommt oft vor, dass sich auch ein Kind sehr zugewandter Eltern nicht genug beachtet fühlt, ohne dass die Eltern es merken. Es deutet zum Beispiel die Freude der Eltern aneinander als Ablehnung und wehrt sich dagegen. Dann kann es aber auch sein, dass es sich sicher ist, von seinen Eltern früher mehr beachtet worden zu sein, oder es glaubt, ein Geschwister bekäme mehr Aufmerksamkeit. Also fühlt es sich abgelehnt. Es wehrt sich gegen die vermeintliche Ungerechtigkeit. Es wird fordernd, quengelig, laut, heftig, wütend, nervös, verweigert sich oder zieht sich zurück und fühlt sich alleine. Die Eltern, wissen oft nicht, wie sie sich diese Unruhe erklären sollen, vor allem, wenn sie sich immer mehr bemühen und ihr Kind sich immer stärker abgelehnt fühlt. So werden auch sie nervös und ungeduldig. Es spielt sich zwischen Eltern und Kind ein Beziehungsmuster ein, das mit Gefühlen verbunden ist. Das Kind schleppt diese Empfindlichkeiten mit ins Leben mit. Es fühlt sich auch als Schüler, Jugendlicher und Erwachsener oft klein gehalten, nicht beachtet und abgelehnt, auch wenn es grossen Erfolg und gute Beziehungen zu anderen hat.
Diese Gefühlslagen können ihre Kraft verlieren, wenn ein Mensch diese unbewussten Meinungen über das Leben verstehen lernt. Durch eine Auseinandersetzung mit seinem Werdegang kann er sich sicher werden, dass es sich um psychische Irrtümer aus der eigenen Kindheit handelt und nicht um die tatsächliche Missachtung durch andere.
lic.phil. Diethelm Raff
Psychologe
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Tags: Ärger und Wut, Gefühle