«Invictus – Unbezwungen» (2009, 128 Min.)
Regie: Clint Eastwood (Drehbuch Anthony Peckham)
Der 128-minütige Spielfilm «Invictus – Unbezwungen» folgt dem Sachbuch von John Carlin aus dem Jahr 2008: Der Sieg des Nelson Mandela: Wie aus Feinden Freunde wurden. Der Arbeitstitel des Films lautete „The Human Factor“.
Der Titel des Films bezieht sich auf das Gedicht «Invictus» von William Ernest Henley, von 1875, das dem Widerstandskämpfer und späteren Präsidenten Südafrikas, Nelson Mandela, während der 27jährigen Haft – auf der Gefängnisinsel Robben Island – Halt und Trost gegeben hatte. Henley erklärt im Gedicht, dass seine Seele – trotz aller Widrigkeiten, Qualen und Schlägen – unbezwungen und er erhobenen Hauptes bleibe, dass die Furcht vor der Zukunft an seinem Ich zerschelle, dass er der Meister seines Loses bleibe und seinen seelischen Zustand trotzdem selbst steuere.
Nelson Mandela (1918 – 2013) wuchs im Volk der Xhosa auf und gehörte zur Königsfamilie der Thumba. Schon als Kind lernte er – wie er in seiner Autobiografie berichtet – seine „Gegner zu besiegen, ohne sie zu entehren“ und später die Methode der einvernehmlichen Beschlussfassung: In den Stammesversammlungen – unter Leitung seines Adoptivvaters – konnte jeder, ob arm oder reich, seine Anliegen, darunter Kritik am Regenten, freimütig vortragen. Der Anführer hörte zunächst kommentarlos zu und bemühte sich anschliessend um eine Konsensfindung.
Mandela lebte nach der Überzeugung: «Niemand wird geboren, um einen anderen Menschen zu hassen. Menschen müssen zu hassen lernen und wenn sie zu hassen lernen können, dann kann Ihnen auch gelehrt werden zu lieben, denn Liebe empfindet das menschliche Herz viel natürlicher als ihr Gegenteil.»
Er war in seiner Meinung über die Menschen und die Welt dafür vorbereitet, sich mit jedem Menschen zu verbinden, trotz aller erlittener Ungerechtigkeiten, Ablehnung und Tortur. Dank seiner Erlebnisse in der Kindheit blieb er dabei, in jedem Menschen, sei er auch sein Misshandler gewesen, einen zukünftigen Mitmenschen zu sehen, der für die Mitmenschlichkeit gewonnen werden kann. Und es gelang ihm mit seiner inneren Ausstattung für das Allgemeinwohl zu empfinden und zu denken. Im Gegensatz zu seiner zweiten Ehefrau Winnie Mandela motivierte ihn nicht der Hass auf die weissen Unterdrücker und Peiniger und der Gedanke nach Rache, sondern die innere Gewissheit, dass sich Menschen versöhnen und befreunden können. Und zwar dann, wenn man sie davon überzeugt, dass es nicht um Gewalt und Macht über andere geht, sondern um das Zusammenarbeiten, das dem Menschen von Natur aus näher liegt, wenn man das Gemeinschaftsgefühl fördert. Deshalb erklärte er auch in seiner Autobiographie «Der lange Weg zur Freiheit», dass es gelingen muss, den Unterdrücker und den Unterdrückten gleichermassen von ihren Einengungen zu befreien, so dass alle ihre Menschlichkeit finden. Er wusste, dass es nicht nur darum geht, die Ketten abzuwerfen, um frei zu sein, sondern dass man den anderen respektiert, frei lässt und aufeinander zugeht.
Er begann deshalb seine Amtszeit als Präsident 1995 mit folgendem Aufruf.
„Wir werden eine Gesellschaft errichten, in der alle Südafrikaner, Schwarze und Weisse, aufrecht gehen können, ohne Angst in ihren Herzen, in der Gewissheit ihres unveräusserlichen Rechtes der Menschenwürde — eine Regenbogennation im Frieden mit sich selbst und mit der ganzen Welt.“
Im Film wird gezeigt, wie er nach 27 Jahren im Gefängnis, und nach über hundert Jahren Unterdrückung der Schwarzen, an diesem Ziel arbeitet. Er nimmt jeden Menschen ernst und nimmt mit allen eine persönliche, gleichwertige und freundschaftliche Beziehung auf, unabhängig von der Hautfarbe. Er übernimmt trotz der langen Apartheit und die jahrzehntelange Unterdrückung alle Weissen in der Verwaltung, falls sie wollen und nach bestem Wissen und Gewissen weiterarbeiten, und stellt Weisse und Schwarze gleichermassen als Leibwächter ein. Er erklärt seinen schwarzenMitarbeitern, die verfolgt waren, dass Versöhnung nur durch Vergebung möglich ist, weil nur dadurch die Seele von Furcht befreit wird.
Im Besonderen will er das beliebteste Spiel der Weissen, Rughby, nicht verbieten, sondern daran zeigen, dass auch dieses Spiel zu einem Band aller Menschen in Südafrika werden kann. Er versuchte überall, Rachegefühle und Ängste aufzulösen und mit Mitgefühl, Zurückhaltung und Grossherzigkeit den Weissen das zu geben, was diese so lange den Schwarzen verwehrt hatten, damit alle friedlich zusammenleben können und den Kreislauf der Gewalt durchbrochen wird.
Er stärkt deshalb den Captain der südafrikanische Rugbymannschaft für die Weltmeisterschaft 1995 auf eine Art, wie es der friedliche Aufbau des Landes überall brauchte: Besser zu werden, als es die Einschätzung von sich selbst ist Und sich zu wahrer Grösse zu inspirieren, indem man auch auf Werke anderer zurückgreift, so dass man jedem Menschen helfen kann, aufrecht zu stehen und die eigenen Erwartungen zu übertreffen. Er zeigt als Vorbild für alle, dass er sich selbst ändert, und zum Beispiel Rugby nicht mehr ablehnt, um ein gemeinsames Leben von allen zu ermöglichen, auch wenn seine eigenen spontanen Gefühle das verhindern könnten.
Es ist berührend, wie Mandela in schwierigsten Situationen überzeugt bleibt, und das auch lebt, dass es möglich ist, einen Ausweg aus der Gewalt und kriegerischer Auseinandersetzung zwischen schwarzen Gruppierungen und zwischen Schwarzen und Weissen zu finden. Es gelingt dann, wenn die tiefsten Überzeugungen der anderen respektiert werden und Verständnis füreinander geweckt wird. So kann sogar eine freundschaftliche Zusammenarbeit unter den ehemaligen schärfsten Gegnern entstehen.
Das Beispiel von Mandelas Einsatz für die Menschlichkeit unter schwierigsten Bedingungen zeigt eindrücklich, dass es eine Erniedrigung der menschlichen Möglichkeiten ist, wenn behauptet wird, bei Ungerechtigkeiten brauche es Krieg bis zum bitteren Ende und der Tod Hunderttausender. Hätte Mandela dieser pessimistischen Sicht auf die Menschen gefolgt, dann wären in Südafrika fast alle der 4 Millionen Weissen unter 40 Millionen Schwarzen ermordet worden, denn sie hatten die Schwarzen jahrzehntelang ihrer angeborenen Würde, ihrer Rechte und Freiheit beraubt.
INVICTUS
Aus finstrer Nacht, die mich umragt,
durch Dunkelheit mein’ Geist ich quäl.
Ich dank, welch Gott es geben mag,
dass unbezwung’n ist meine Seel.
Trotz Pein, die mir das Leben war,
man sah kein Zucken, sah kein Toben.
Des Schicksals Schläg in großer Schar.
Mein Haupt voll Blut, doch stets erhob’n.
Jenseits dies Orts voll Zorn und Tränen,
ragt auf der Alp der Schattenwelt.
Stets finden mich der Welt Hyänen.
Die Furcht an meinem Ich zerschellt.
Egal, wie schmal das Tor, wie groß,
wieviel Bestrafung ich auch zähl.
Ich bin der Meister meines Los’.
Ich bin der Käpt’n meiner Seel.