«Ein Dorf sieht schwarz (Bienvenue à Marly-Gomont)» (2016, 94 Min.) Regie: Juline Rambaldi
Im 94-minütigen Film «Ein Dorf sieht schwarz» aus dem Jahr 2016 wird die – wahre – Geschichte des kongolesischen Arztes Seyolo Zantoko erzählt. Dieser zog 1975 nach seinem Studium in Lille zusammen mit seiner Familie in ein kleines nordfranzösisches Dorf, dessen Bürgermeister ihn gebeten hatte, dort zu praktizieren, da die französische Oberschicht der Mediziner das Landleben vermeidet. Damit hoffte Seyolo, die französische Staatsbürgerschaft zu erhalten, um seinen Kindern eine gute Bildung zu ermöglichen. Er weigerte sich, für den kongolesischen Diktator Leibarzt zu werden und damit sein freies Denken und Fühlen und seine Menschenliebe zu opfern. Seine Frau hätte das damit verbundene hoch-luxuriöse und städtische Leben im Kongo bevorzugt. Er jedoch arbeitete für die Landbevölkerung, mit der er sich ganz verbunden hatte, bis zu seinem Unfalltod 2009. Die ganze Bevölkerung hatte sich schon in den 70er Jahren mit einer Petition für seine französische Staatsbürgerschaft eingesetzt, da sie sich nach und nach angefreundet hatten. Sie versammelte sich auch in grosser Dankbarkeit für seine sorgsame, hingebungsvolle, mutige, ausdauernd verständnisvolle und ausgleichende Art an seinem Grab. Das Drehbuch für den Film wurde von dessen Sohn Kamini Zantoko zusammen mit dem Regisseur Julien Ramboldi geschrieben.
Seyolo Zantoko war eine Waise, der offenbar aus dieser Situation unbewusst das Ziel gezogen hatte, mutig, unerschrocken und mit viel Feingefühl immer wieder auf Menschen jeglicher Art zuzugehen, um deren Vertrauen und Freundschaft zu gewinnen und auch in schwierigsten Lebenslagen nicht aufzugeben. Er war offenbar überzeugt, dass sich jeder Mensch für das gute Zusammenleben gewinnen lässt – seien es seine Frau und Kinder für ein scheinbar beschwerliches Leben auf dem Land und genauso die Landbewohner, die gegenüber den – oft arroganten – Städtern und Intellektuellen zunächst sehr misstrauisch oder gar ablehnend sind, egal ob in den zentralistischen Ländern Kongo oder Frankreich.
Der Film zeigt humorvoll, aufrichtig und herzlich die Missverständnisse und Hürden, die zu überwinden sind, wenn sich Menschen mit verschiedenen Vorstellungen durch besondere Umstände kennenlernen, in diesem Fall zufällig auch von schwarz und weiss. Wie in anderen Filmen, die zeigen, wie Zugehörigkeit und Freundschaftsgefühle zwischen Menschen verschiedenster Welten entstehen, wird auch in diesem Fall deutlich, dass sich Menschen trotz aller in der Kindheit entstandener Vorbehalte und generellem Misstrauen gerne befreunden, wenn sie nach und nach erleben können, dass der andere gerne kooperiert, sich gleichwertig fühlt und einen versteht und einem behilflich ist.
Die Vorurteile zeigen sich hier wie meistens auf allen Seiten. Frau Zantoko lehnt zunächst die Dorfbewohner und deren Leben vollkommen ab, denen sie Rassismus unterstellt und keinen Kontakt aufnehmen will, sondern ihr Leben per Telefon mit den Verwandten im luxuriösen Kinshasa weiterführt. Sie lernt sich erst langsam in die einzelnen – weissen – Menschen einzufühlen. Ihren Mann unterstützt sie nach und nach immer mehr in seinem Vorhaben, in diesem Dorf Arzt zu werden. Genauso überwinden zuerst einzelne und dann immer mehr Dorfbewohner langsam ihre sehr starken Vorbehalte gegenüber den – schwarzen – Städtern.
Seyolo Zantoko zeigt ihnen, dass er sich wie ihresgleichen und nicht besser fühlt, indem er mit den Männern sehr oft Dart im Bistro spielt und sie ihn und er sie kennenlernen sowie Geld als Bauerngehilfe verdient, als noch niemand zu ihm als Arzt kommen will. Diese Zeichen der Wertschätzung für das Leben der ländlichen Bewohner darf er seiner Frau teilweise nicht erzählen, weil sie solche Arbeit unter ihrem Niveau findet. Die Verwandten von Frau Zantoko haben kein Gespür für die Dorfbewohner und stossen diese vor den Kopf, weil sie denen ihre Art zu leben aufzwingen wollen, indem sie eine Gedenkfeier stören und in der Kirche ihre Art zu singen den anderen überstülpen. Seyolo schämt sich dafür, macht aber auch da keine Vorwürfe. Ein Kandidat für das Bürgermeisteramt verbreitet Intrigen gegen Seyolo, um damit den derzeitigen Bürgermeister aus dem Amt zu verdrängen und verhindert damit einen schnelleren Vertrauensaufbau zu den Dorfbewohnern.
Und doch überzeugt Seyolo die Dorfbewohner, indem er – ohne wegen deren Ablehnung nachtragend zu sein -, bei erster Gelegenheit ganz freundlich und kompetent ein Mädchen wegen ihrer Akne behandelt, die von ihren Mitschülern gehänselt wird. Und danach einer Frau trotz deren Gegenwehr bei einer Sturzgeburt hilft. Seyolo will nicht, dass seine Tochter Fussball spielt, doch ausgerechnet sie verhilft dem örtlichen Fussballclub zu einem Sieg. Die gemeinsame Freude daran unterstützt die Annäherung der Familie mit den Dorfbewohnern. Ein Film, der dazu anregt, nicht aufzugeben, auch wenn es – wie so oft – erst nach und nach Vertrauen und Freundschaften entstehen.