20 bis 25% der Bevölkerung erleiden im Lauf ihres Lebens mindestens einmal eine depressive Episode, welche die Lebensqualität ernsthaft einschränkt. Sie sind längere Zeit niedergeschlagen und freudlos, ohne Energie und Antrieb, stellen sich stark in Frage, fühlen sich minderwertig und wertlos, werden von Ängsten, Schuld- und Ohnmachtsgefühlen geplagt und können sich oft schlechter konzentrieren, denken und sich entscheiden. Dieser Zustand kann auch Gefühle der inneren Leere und Hoffnungslosigkeit beinhalten. Depressionen können heutzutage in einer Psychotherapie (teilweise begleitet von medikamentöser Behandlung) verstanden und behoben werden.
Der Zugang zu diesem Verständnis gelingt über die Betrachtung der individuellen Lebensgeschichte. In den ersten 5 bis 6 Lebensjahren entwickeln alle Menschen in der Beziehung zu ihren engsten Bezugspersonen ein Bild von sich selbst und der Welt. Der Erziehungsstil der Eltern, sowie deren Einstellung anderen Menschen gegenüber wirken auf das Kind, welches sich unbewusst aus diesen Eindrücken emotional und gedanklich Grundüberzeugungen aufbaut, nach denen es sein Leben einrichtet.
Erlebt das Kind in seinem ersten Beziehungsnetz eine wohlwollende, unterstützende und auf Gemeinschaft und Zusammenarbeit ausgerichtete Atmosphäre, kann es sich zu einem mutigen und gleichwertigen Mitmenschen entwickeln, der dem Leben zuversichtlich entgegensieht. Wird es jedoch durch Lieblosigkeit, Strenge, Vernachlässigung, oder auch Verzärtelung und Verwöhnung seelisch ungenügend für das Leben ausgerüstet, wird es bei grösseren Schwierigkeiten im späteren Leben vor den Anforderungen zurückschrecken und unbewusst nach einem Ausweg suchen, den es schon in seinen ersten Lebensjahren eingeübt hat. Dieser kann sich z.B. in Unruhe, Nervosität, Ängsten, Phantasien, Aggressionen oder eben auch in depressiven Gefühlen äussern.
Depressionen sind also eine unbewusste Antwort auf eine Lebenssituation, von der man glaubt, dass man sie im Rahmen seiner erworbenen Vorstellungen des Lebens nicht bewältigen kann. Wenn es in einer vertrauensvollen Beziehung gelingt, seine innere Gefühlslogik zu verstehen, kann man die Depression überwinden und eine realistischere Betrachtungs- und Bewältigungsweise des Lebens emotional verankern.
lic. phil. Diethelm Raff
Psychologe
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