Kategorie: Psychologie

Wie kann man Ärger und Wut verstehen?

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Alle kennen Ärger. Man kommt in Aufregung wegen kleinerer und grösserer Ungereimtheiten im Leben: Wenn die Ampel auf rot steht, wenn man an der Kasse warten muss, wenn der andere einen nicht versteht, wenn man etwas nicht findet und ähnliches. Manchmal wird man auch wütend.

Ärger und Wut sind interessante Phänomene, die psychologisch erklärbar sind. Wenn sich Menschen weniger ärgern wollen oder sich an ihrer Wut stören, dann können sie sich Hilfe holen und die Gründe verstehen lernen. Ärger und Wut entstehen immer aus einer unbewussten, inneren Haltung den Menschen und dem Leben gegenüber. Sie können behoben werden, wenn der Betroffene Geduld und Zeit aufbringt, seine individuellen Beweggründe erfassen zu lernen.

Bei einem kommt es zu solchen starken Gefühlsaufwallungen, weil er sich immer vom Leben gebremst fühlt. Er erlebte in seinen ersten Lebensjahren zum Beispiel, dass ein älteres Geschwister alles besser gewusst hat.

Eine andere fühlt sich ständig überfordert und wünscht, dass alles schneller gehen soll. Sie hat das Leben so kennengelernt, dass ihr ängstlicher Vater sie vor allen Schwierigkeiten beschützen wollte und vieles schnell löste, bevor sie merkte, dass sie es nicht konnte.

Ein dritter fühlt sich immer bezwungen, wenn ein anderer etwas anderes will als er selbst in dem Moment. Er hat das Leben so kennengelernt, dass die Eltern immer genau wussten, was er zu tun hatte und ihn wegen jeder Kleinigkeit kritisierten.

Eine vierte nervt sich, wenn sie weniger kann als jemand anderes. Sie fühlt sich ständig nicht ernst genommen. Sie hat als Kind das Ziel entwickelt, immer die Beste sein zu müssen.

Wenn es gelingt, nachzuvollziehen, aus welcher inneren Logik Ärger und Wut entspringen, dann kann man sich von diesen Gefühlen distanzieren und das Leben leichter gestalten.

 

lic. phil. Diethelm Raff
Psychologe

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Der Mensch ist erst durch den anderen

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Er ist nichts weniger als „Spezialist für die Psychologie der Gefühle“: Professor der Philosophie, Knut Eming, aus Heidelberg erklärte kürzlich in einem Vortrag, „Wie Gemeinschaft gelingen kann“.

„Nur weil wir andere Menschen haben, können wir merken, wer wir sind“ ist eine zentrale Aussage Knut Emings. Wir finden uns nicht, wenn wir uns in uns selbst suchen. Als soziale Lebewesen sind wir nicht Einzelgänger, die die Eigenständigkeit in sich selbst finden können. Wir brauchen immer den anderen Menschen, um uns selbst zu erkennen.

Leider, so Knut Eming, sind viele im Gefühl nicht nahe genug beim anderen Menschen, fühlen sich nicht wohl genug und erleben das Zusammensein mit anderen zu sehr als Stress, als dass eine engere Verbundenheit und ein Gefühl von Gemeinschaft gelingen kann. Dies hat mit falschen Überzeugungen zu tun: Die anderen Menschen wurden dem Kind oft als Lebewesen vorgestellt, die dazu da sind, einen zu kritisieren, zu bremsen und zu konkurrieren. Oder andere erlebten schon früh, dass die anderen einem nur dann wohlgesonnen sind, wenn sie auf jeden Wunsch eingehen, jedes Gefühl beachten und immer lustig sind. Wenn dieses erwartete Setting sich nicht wiederholt, fühlen sie sich unverstanden, sind leicht säuerlich oder beklagen sich offen oder versteckt.

Menschliche Gemeinschaft kann sich wegen solcher falschen Meinungen und Umwegen nicht so breit entfalten, wie sie es eigentlich von Natur aus könnte, erklärte Knut Eming. Die Gefühlsmöglichkeiten seien oft noch so eingeschränkt, dass wenig freundschaftliche Gefühle möglich sind. Freundschaft braucht es aber, um frei und eigenständig zusammenleben zu können, nicht nur in kleinen Gemeinschaften, sondern in allen Gesellschaften. „Der Mensch leidet dann darunter, dass er sich nicht zusammen gesellen kann.“ Der Ausweg besteht laut dem Referenten darin, seine Gefühlsirrtümer in Bezug auf die anderen Menschen zu erkennen.

Es brauche heute mehr Institutionen, in denen die gleichwertige und freundschaftliche Verbundenheit mit anderen gelehrt und erlebt werden kann. „Die Wandlung der störenden Gefühle in Bezug auf die Mitmenschen ist dann möglich, wenn der einzelne in einer Gemeinschaft auf Zeit merkt, dass er ablehnende Gefühle gegenüber den Mitmenschen nicht verstecken muss, sondern als verfehlte Meinung über sich selbst und andere verstehen lernen kann.“ Dazu gehört zu erleben, dass man nicht nur von ein paar wenigen verstanden werden kann, sondern von vielen.

„Solche Gemeinschaften machen auf eine Art öffentlich, was jeder zu verstecken meint. Sie sind wie Diamanten, die einen Ausblick verschaffen, wie die Zentrierung auf das eigene Wohl als Gegensatz zum Gemeinwohl überwunden werden kann. Man erkennt in solchen Gemeinschaften, dass es einem selber am besten geht, wenn man den Mitmenschen nah verbunden ist.“, erklärte Professor Knut Eming. Wenn sich der einzelne unter anderen Menschen besser zurechtfinden lernt und sich wohl fühlen kann, wird es besser möglich, mit anderen ohne Stress zusammen zu sein. Dann kann man auch positiver den anderen gegenübertreten, leichter in Vereinigungen und Vereinen mitmachen, das Wohl der Gesamtheit gerne mitdenken und mit allen Menschen mitfühlen.

Diethelm Raff
Psychologe

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Entstehung und Überwindung der Eifersucht

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Oft können wir die Eifersucht bei Kindern beobachten: Ein Kind nimmt seinem Freund das Spielzeug weg, weil es sich benachteiligt fühlt. Ein anderes Kind kann plötzlich nicht mehr mitspielen, weil ihm etwas weh tut, denn es glaubt, dass sein Geschwister zu sehr im Mittelpunkt steht. Ein drittes schreit laut oder wird hyperaktiv, wenn sich der Lehrer dem Klassenkollegen zuwendet. Ein viertes Kind zieht sich ganz still oder gar beleidigt in eine Ecke, wenn es nicht besonders hervorgehoben wird. Ein fünftes beschäftigt sich nur noch mit sich selbst und denkt nirgensd mit, weil es sicher ist, dass andere bevorzugt werden.

Es scheint für uns Erwachsene allerdings eine ungeschriebene Regel zu sein, dass Eifersucht ab einem gewissen Alter kein Thema mehr sein sollte. In Wirklichkeit aber spielen Eifersuchtsgefühle in vielen täglichen Situationen eine entscheidende Rolle. Sie können der Grund sein, warum es uns schwerfällt, uns zu einigen, uns zusammenzuschliessen, uns über das Glück von anderen zu freuen.

Viele glauben, dass sie im Vergleich zu anderen nicht genügen, fühlen sich schnell abgelehnt, sind sich sicher, dass andere bevorzugt werden und man selbst zu wenig Beachtung findet. Man sieht zwei Leute zusammenstehen und glaubt schon, dass diese nicht wollen, dass man dabei ist. Man vergleicht sich ständig, verurteilt, was andere versuchen, setzt sich davon ab, muss darstellen, dass die Leistung von anderen doch nicht so grossartig ist, wie man glaubt.

Solche Eifersuchtsgefühle können dann zu Reaktionen führen wie Trauer, Abneigung, Vorwurfshaltungen, Besserwisserei, Rückzug, Streit, oder Strenge. Es sind Gefühle, die uns in unserer eigenen Entwicklung hemmen, denn wir können dann schwerer oder gar nicht mit den anderen zusammenarbeiten, mitreden und mitgestalten. Wenn wir uns mit diesen Gefühlen auseinandersetzen und sie verstehen lernen, müssen wir sie nicht verurteilen. Wir verstehen dann, dass Eifersucht ein nagendes Schwächegefühl ist. Diese Unsicherheit lässt sich auflösen, indem wir erfahren, welchen Sinn dieses Gefühls in der eigenen Entwicklung hatte und welche unbewussten Ziele damit verbunden sind. Wenn wir für andere wichtig werden, indem wir uns in sie hineinversetzen und uns aktiv verbinden, wird die Eifersucht gelindert oder verschwindet.

lic. phil. Diethelm Raff
Psychologe
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